Als Lukas das erste Mal auf Jule trifft, ahnt er nicht, dass ganz verschiedene Lebenswelten aufeinanderprallen werden. Er selbst liebt StarWars, zockt stundenlang am Computer und findet sich selbst sehr langweilig.
Jule hingegen spioniert am liebsten fremden Leuten hinterher, ist quirlig, draufgängerisch, Ärger und Chaos sind vorprogrammiert. Aber auch das Zuhause der beiden unterscheidet sich gravierend. Lukas lebt in geordneten Verhältnissen, Jules Mutter hingegen ist alleinerziehend und weiß oft nicht, wie sie den Kühlschrank füllen soll.
Die Geschichte der beiden Heranwachsenden hatte der Bremer Schauspieler, Regisseur, Theaterpädagoge, Musiker und Autor Jörg Isermeyer den rund 80 Fünftklässlern der Integrierten Gesamtschule Achim (IGS) zum bundesweiten Vorlesetag mitgebracht. „Alles andere als Normal“ heißt sein Buch.
Er schlüpfte während des Vorlesens in die verschiedenen Rollen und ließ die Kinder ordentlich auf ihren Stühlen zusammenzucken, als er den erbost brüllenden Nachbarn mimte, der Lukas beim Ausspionieren erwischt hatte. Für die lebendige Vorlesedarbietung gab’s dann hinterher auch kräftigen Applaus und besonders viele Fragen.
Geschichten habe er sich schon seit seiner Kindheit gerne ausgedacht und gerne viel gelesen, nur das Schreiben eines Romans über 400 Seiten war ihm dann als Jugendlicher doch zu anstrengend, berichtete der Autor den Kindern.
Über die Musik habe er später doch angefangen zu schreiben, erst Liedtexte,später als Schauspieler begann er Theaterstücke zu verfassen. Und von da ausgehend war es nicht mehr weit zum ersten Buch. Schreiben aber, erzählte er weiter, sei sehr anstrengend, „denn man muss ständig Entscheidungen treffen“. Aber: „Wenn es hier oben im Kopf qualmt, bin ich happy.“ Isermeyer findet es nach eigenen Worten spannend, für Kinder und Jugendliche zu schreiben, denn diese mit einer spannenden Geschichte zu begeistern, das sei auf eine andere Art und Weise anspruchsvoll als bei Erwachsenen. Insbesondere beim Vorlesen spiegeln Kinder demnach deutlich, ob ihnen die Geschichte gefällt oder nicht.
Solche Momente, in denen Kindern vorgelesen wird, werden seltener. Laut dem „Vorlesemonitor 2023“ lesen mehr als ein Drittel der Eltern den Kindern nicht mehr vor. Auch Isermeyer beobachtet, dass es insgesamt immer mehr Menschen gebe, die nicht lesen. „Wir sind mit Geschichten und Medien überfrachtet. Früher, wenn ich eine Geschichte haben wollte, musste ich lesen“, erzählte der 55-Jährige.
Ein Grund, weshalb er ein großer Fan von Schullesungen ist und lesen fördert. „Lesen ist eine Voraussetzung für die Demokratie“, findet er. Das spiegelt auch das diesjährige Vorlesetag-Motto „Vorlesen verbindet“. Initiiert 2004 von „DIE ZEIT“, der Stiftung Lesen und der Deutsche-Bahn-Stiftung sehen die Akteure im Vorlesen die wichtigste Voraussetzung, um selbst gut lesen zu lernen.
Vorlesen verbinde, und zwar Generationen wie auch Kulturen. Das wiederum stärke die Kinder, fördere den Austausch und lasse Grenzen überwinden. Letztlich bestärke das Lesen die Kinder darin, neugierig die Welt zu entdecken, und sei somit der Schlüssel für ihre Zukunft. Diesen Schlüssel nutzt die IGS Achim seit diesem Schuljahr täglich mit der Lesezeit, die dort seitdem angeboten wird.
Jeden Morgen haben die Kinder eine Viertelstunde Zeit für sich, um in die Geschichte ihres Lieblingsbuchs einzutauchen – was schon jetzt Wirkung zeigt, wie Lehrerin Anke Oldendörp beobachtet: „Dadurch wird viel mehr gelesen.“
Quelle: Achimer Kreisblatt vom 30.11.2023